„…ein jungfern kloster und darin Roswindis kayers Caroli magni schwester“1

Roswindis von Liesborn

Die Heilige Roswitha | 9. Jahrhundert

Wadersloh

Kloster/Kirche/Religion

Bronzerelief, vom Heimatverein Liesborn für die Turmkapelle gestiftet
Foto: © Andrea Brockmann

799 gründete Karl der Große im Kirchspiel Liesborn ein Kanonissenstift, stattete das Kloster mit kostbaren Reliquien aus, die der Frankenkönig gemeinsam mit Papst Leo III. nach Liesborn brachte, und setzte als erste Äbtissin des Liesborner Frauenkonvents seine Schwester Rotswindis ein. So will es zumindest die Tradition, die Legende, der Volksglaube. Doch einen urkundlichen Nachweis gibt es nicht, die „Fakten“ stammen allesamt aus der klösterlichen Memorialüberlieferung. Auch ist eine Schwester Karls mit diesem Namen nicht bekannt, die edle Abkunft aus der stirps Karolina ist also eher fragwürdig. Nichtsdestotrotz führte die überragende Rolle, die Karl dem Großen bei der Gründung Liesborns zugeschrieben wird, und die verwandtschaftliche Einbindung der ersten Äbtissin Rotswindis dazu, dass das Kanonissenstift und spätere Benediktinerkloster als eines der ersten und vornehmsten des Reiches gelten sollte. Und bis heute ist Rotswindis, die als Heilige Roswitha mit dem Patronatsfest am 29. April verehrt wird, fest im Heiligenkalender und im kulturellen Gedächtnis verankert.

Nach der Klosterchronik von 1587 wurde Rotswindis „sub turri parochiae“ begraben, an jener Stelle, wo die zwölfte und vorletzte Äbtissin des Kanonissenstifts Liesborn, Oderadis, später, um das Jahr 1100, einen steinernen Turm mit Kapelle errichten ließ. Die zuvor nicht überbaute Grablege der Rotswindis war vermutlich der Anlass für den Turmbau. Bei Ausgrabungen im Jahr 1980 stieß man in der Turmkapelle auf ein sehr tief gelegenes Grab. Das darin liegende Skelett könnte das der ersten Äbtissin sein, es wurde bei den Ausgrabungen aber nicht näher untersucht und befindet sich heute noch an der aufgefundenen Stelle. Ein Bronzerelief an der Kapellenwand erinnert an die nach wie vor innig verehrte „Gründerin“ von Liesborn.


Andrea Brockmann

1 Janssen, Johann, (Hg.), Die Geschichtsquellen des Bisthums Münster, Band 3: Die Münsterischen Chroniken, Münster 1856, S. 299