1852 verlassen das Ehepaar Levin und Louise Schücking, geb. von Gall, die Großstadt Köln, um in das von Schlaun erbaute Herrenhaus neben der Kirche in Sassenberg zu ziehen. Levin schwärmt: „Was die gnädige Frau angeht, so ist es der Mühe wert, sie als Burgfrau zu sehen. Und in der Tat, ein so völliges Ausspannen aus aller Plackerei, Hetzerei einer größeren Stadt ist etwas unbeschreiblich Angenehmes.“ Wie sehr verkennen die beiden die Realität einer Kleinstadt im Münsterland! Die Bevölkerung der ehemaligen Residenzstadt ist arm, Sassenberg liegt abseits. Das neue Gut mit den sandigen Böden und sauren Wiesen bringt nur geringen Ertrag. Oft ist es nasskalt, Umbauten müssen finanziert, vier kleine Kinder ernährt werden. Den Lebensunterhalt bestreiten die beiden weiter aus ihrer schriftstellerischen Tätigkeit.
Neben diesen Sorgen erfährt die protestantisch erzogene, liberal gesinnte und mit einem Bürgerlichen verheiratete Adelstochter Louise Intoleranz und Zurückweisung der Sassenberger und des Adels ringsum. Sie, die hochgebildete, populäre Romanschriftstellerin, Feuilletonistin und Gesellschaftsdame hat reichlich Grund zu seufzen: „Und so lange man Sorgen hat, ist doch das Leben nichts.“
Der Blick zurück fällt auf glanzvollere Zeiten: in die Salons in ihrer Geburtsstadt Darmstadt und in Wien, auf ihre Freundschaften mit den Dichterinnen Adelheid Stolterfoth und Louise von Plönnies und auf den romantischen „Poetensommer“ am Rhein. Angestiftet durch den Dichter Freiligrath lässt sie sich dort 1842 auf einen Briefwechsel mit dem ihr unbekannten Levin Schücking ein, der auf den Tag genau ein Jahr später in eine Hochzeit mündet. Die ersten gemeinsamen Jahre in Augsburg und Köln sind produktiv und turbulent. Louise veröffentlicht zwei Romane, zahlreiche Novellen, einige Theaterstücke, drei ihrer Lustspiele werden in mehreren deutschen Städten aufgeführt.
Die unglückliche Zeit in Sassenberg währt kurz. Drei Monate nach der Geburt ihres fünften Kindes stirbt sie, im 40sten Jahr, vermutlich an Typhus. Gegen ihren testamentarischen Willen wird sie auf dem Sassenberger Friedhof beigesetzt, wo man heute an der alten Grabstelle neben der Kirche einen nachgearbeiteten Gedenkstein findet. Von dort aus blickt man auf Haus Schücking.
Anders als Levin schien die Literaturgeschichte Louise über lange Zeit fast vergessen zu haben. 1847 schreibt Annette von Droste-Hülshoff ihrer Freundin Elise Rüdiger von der Meersburg über die „Schückings“: „Sie wird sehr schön gefunden und in jedem Betracht bedeutender als Er“.2 Erst Ende des 20. Jahrhunderts erscheinen zwei Publikationen, die sich dann ausführlich mit Louise von Galls Leben und Werk beschäftigen. 3