„…ich arme betrübte und swangere Fraue… mit dem greulichen Laster der Zauberey besudel…“1

Else Rode

* 1617

Sendenhorst

Gewalt
Recht/Rechtlosigkeit

Abb. Auszug aus den Prozessakten

Am 3. November 1617 wird der Fall Else Rode in der Stadt Sendenhorst, in der damals ca. 1000 Menschen lebten, aktenkundig. Wenige Jahre nach dem Prozess gegen Else Rode erreichen die Hexenjagden, die sich auch in den Nachbarorten Ahlen, Albersloh, Hoetmar und Warendorf ereigneten, schließlich einen ihrer Höhepunkte. Es ist eine Zeit großer sozialer Unsicherheiten. Missernten, Seuchen und Kriege versetzen die Menschen in ganz Europa in existentielle Angst und Schrecken. Aus Mangel an Erklärungen und zum Teil auch als Möglichkeit, sich an unliebsamen Nachbarn zu rächen, wurden diese Katastrophen häufig auf Schadenszauber zurückgeführt. Diese Begründung führte schließlich seit dem 16. Jahrhundert zur Verfolgung von mehr als 70.000 Menschen als Zauberer und Hexen, zu denen in der Mehrzahl Frauen gehörten, die ohne Unterschied von Stand und Rang Denunziationen, Folterungen und dem Tod ausgesetzt waren.

Auch die Sendenhorsterin und Hausbesitzerin Else Rode gehört zu diesen Verfolgten und verliert in einem sogenannten Hexenprozess ihr gesamtes Vermögen. Laut Zeugenaussagen habe die Beklagte sich „mit dem greulichen Laster der Zauberei besudelt“ oder „habe zum wenigsten dermassen starken verdacht auf sich geladen“, dass ihr der Prozess gemacht werden sollte.
Die genauen Vorwürfe lassen sich aus den Akten nicht mehr feststellen, dürften sich aber im üblichen Rahmen bewegen: Angeklagt wurden die meisten Frauen als Hexen unter dem Verdacht des Schadenszaubers, z. B. Kinder oder Vieh vergiftet zu haben, der Teufelsbuhlschaft, dem Pakt mit dem Teufel oder der Teilnahme am Hexensabbat. Welche tatsächlichen Interessen die sogenannten Zeugen mit der Verleumdung verfolgen, ist nicht mehr nachvollziehbar.

Fest steht, dass Else Rode zur Zeit ihrer Verhaftung schwanger ist, der Vater des Kindes in den Prozessakten jedoch nicht auftaucht. Die Winterzeit steht bevor, die Haftbedingungen sind hart und unmenschlich. Da das Gefängnis nicht fluchtsicher ist, wird sie wie die anderen Gefangenen angekettet und muss die letzten Schwangerschaftsmonate in eisernen Fesseln „ahm Halse, Hende unndt Füeße“ verbringen. Caspar Schenckinck, Stadt- und Gorichter, lehnt eine Hafterleichterung ab, sodass Else Rode sich zweimal an den Bischof von Münster wendet, er möge doch befehlen, dass sie wegen der bevorstehenden Niederkunft von den „Eisenbanden“ und dem „Gefencknisse“ befreit werde.
Man wartet die Geburt ihres Kindes ab, das sie Ende Januar 1618 zur Welt bringt, um sie dann drei Wochen später „hochnotpeinlich“, das heißt unter der Folter zu befragen. Nach neun Monaten Gefängnis und mehrfacher Folter wird sie zuletzt ohne Geständnis „der Hafft erlassen und des Landes demnegst verwiesen“, wobei man ihr obendrein noch die Kosten des Verfahrens wie ihre Unterbringung im Gefängnis und das Geld, das der Scharfrichter für jede Tortur erhält, in Rechnung stellt. Mit diesem Urteil entgeht sie zwar dem Scheiterhaufen, aber eine mittellose Frau mit einem Säugling für immer des Landes zu verweisen kommt – am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges – einem Todesurteil gleich.


Christa Paschert-Engelke

1 StAM AV Msc. Nr. 317