„Singen ohne Lieder kann ich mir gar nicht vorstellen. Es ist etwas Wunderbares und Schweres zugleich…“1

Elisabeth Grümmer

geb. Schilz | 1911 – 1986

Everwinkel

Musik

Abb.: Die Meistersinger von Nürnberg – Elisabeth Grümmer (Eva), Rudolf Schock (Stolzing), Metropolitan Opera New York
Foto: Ilse Buhs, Berlin

Auf dem Everswinkler Friedhof erinnert nur ein schlichtes Grab an die international gefeierte Sopranistin Elisabeth Grümmer.
Eigentlich wollte die junge Elisabeth Schauspielerin werden. Sie begann mit klassischen Rollen Ende der zwanziger Jahre beim Theater in Meinigen (Rhön) – dort, wo, ihr Vater, Bahnbeamter und leidenschaftlicher Chorsänger, seine Tochter bereits früh eingeführt hatte. Als sie Mitte der 30er Jahre den talentierten Violinisten und Konzertmeister Detlef Grümmer heiratete und schwanger wurde, schien ihre erfolgsversprechende Künstlerinnenlaufbahn vorerst zu Ende zu sein. Die Familie zog nach Aachen, wo Detlef Grümmer beim Stadttheater als Kapellmeister engagiert wurde. Elisabeth nahm Gesangunterricht und wurde von Herbert von Karajan, der dort Generalmusikdirektor war, im wahrsten Sinne erhört. Er gab ihr ein Engagement als Blumenmädchen in einer Parsifal-Aufführung. Elisabeth überzeugte und ging mit ihm ans Duisburger Theater, anschließend nach Prag. Ihre Arbeit dort endete jedoch abrupt, als ihr Mann 1944 bei einem Bombenangriff im gemeinsamen Haus in Aachen getötet wurde.

Nach dem Krieg ging Elisabeth mit Tochter Karin nach Berlin, wurde Ensemblemitglied der Städtischen Oper Berlin. Eine glanzvolle internationale Karriere als Sängerin begann. Nach Stimme und äußerer Erscheinung entsprach Grümmer damals genau dem Typ der deutschen lyrischen Sopranistin, ideal für Mozartpartien und gefühlvolle Mädchengestalten Richard Wagners.2 Sie sang die ‚Eva‘ in Wagners ‚Meistersingern‘ in Covent Garden 1951, die „Donna Anna“ in Mozarts „Don Giovanni“ 1953 und 1954 bei den Salzburger Festspielen, die „Agathe“ in Webers „Freischütz“, die „Pamina“ in der „Zauberflöte“ in Berlin, in Bayreuth die Wagner-Rollen. Ausgezeichnet und gefeiert wurde sie nicht nur als herausragende Sopranistin in den großen Opernhäusern wie der „Grand Opéra“ in Paris, der Mailänder „Scala“, der New Yorker „Metropolitan Opera“ oder dem „Teatro Colón“ in Buenos Aires, sondern auch als Liedersängerin mit Werken von Schubert, Brahms, Verdi, Beethoven, Mozart, Strauß.
1965, mit 54 Jahren, erhielt Elisabeth Grümmer eine Professur an der Musikhochschule in Berlin, unterrichtete Gesang. Mitte der 70er Jahre übernahm sie eine Professur in Paris. Ab 1977 war sie Vorsitzende der Gesellschaft der Freunde der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Berlin e.V., 1986 Ehrenmitglied der Deutschen Oper Berlin.

Nach Everwinkel kam sie manchmal – privat, um ihre einzige Tochter Karin und ihre Enkel zu besuchen. Hier, in der großen Bauerschaft Müssingen, wo sie eigentlich nicht nur ihren 75. Geburtstag feiern, sondern ihren Lebensabend verbringen wollte, währte der Aufenthalt jedoch nur kurz, nach zwei Wochen verstarb sie im Warendorfer Krankenhaus. Ihre Stimme aber bleibt – auf zahllosen Cassetten, Tonbandaufnahmen und CDs.


Christa Paschert-Engelke

1 Interview vom 1.4.1971, Berliner Morgenpost
2 Portrait in Noten: Elisabeth Grümmer, Sopran, Sendung vom 6.4.91, SFB 3, Manuskript: Gerda Zimmer